Renovierung

Zeit der Tränen….

Christine Kraak erlag 2004 dem morbidem Charme der giftgrünen Fensterläden, dem leicht verwelkten Fachwerk und den üppig blühenden rosa Lichtnelken an der stark befahrenden Durchgangsstraße B 68. „Frau Kraak, dass Sie SO ein altes Haus suchen, darauf wäre ich nie gekommen“, verabschiedete sich der Makler achselzuckend. 2001 war die letzte Eigentümerin der Hofstelle Olderdissen verstorben. Die Blumen im Vorgarten entfalteten auch nach ihrem Tod üppigste Blütenfülle, den Garten hatten sich die Brombeeren geholt und die einsturzgefährdeten Gebäude das Efeu.

Die Hofstelle Olderdissen mit Stellmacher- und Böttchwerkstatt“ Auf dem Busche“ aus dem Jahre 1750 bzw. 1850 wurde also in renovierungsbedürftigem Zustand erworben, vermutlich letzter Umbau 1900, auf der Werkstatt lag bereits die Abrissgenehmigung, die allerdings umgehend gecancelt wurde vom Denkmalamt Münster als die potentielle Käuferin auftauchte.

Die Renovierungsarbeiten bis zur Bewohnbarkeit der Gebäude zogen sich über 2 Jahre hin. (Bauzeit 2004 – 2006)

Der Kuschelkurs mit der Denkmalbehörde erwies sich als überaus positiv. Behörde und Bauherrin verfolgten die gleichen Ziele: BACK TO THE ROOTS! Alles sollte so bleiben wie es war. Keine „Grundsanierung“, keine neue Raumaufteilung, die Uhr blieb einfach stehen… Jahr 1900.

Nach verschiedenen Anfragen fiel die Wahl für die Renovierungsarbeiten auf eine Baufirma aus den Niederlanden. Die Orange-Jungs erwiesen sich als äußerst pragmatisch, beschränken sich aufs Wesentliche und taten im übrigen nichts, was die Damen und Herren vom Denkmalschutz nachhaltig verärgert hätte – bis auf einige Kleinigkeiten, deren Bedeutung völlig falsch eingeschätzt wurde: So verschwand auf unerklärliche Weise ein Teil des alten Treppengeländers, in der Küche wurden uralte Fliesen, die an einem Schornstein zu Tage traten, übergespachtelt und gestrichen: Großes Achselzucken, da kann man wohl nichts machen…!!! So blieben Haus und Bauherrin die „komplette Entkernung“ erspart, auch auf kostenaufwändige Umbauarbeiten wie „Herausnehmen der Zwischenwände“ und übliche „Modernisierungsarbeiten“ wurde verzichtet.

Die Raumaufteilung ist heute noch so wie sie immer war, ebenso blieben die alten Lehmwände und auch die Decken. Sie sorgen bis heute für ein erfreulich nettes Raumklima, genauso wie vor 150 Jahren, sowohl im Sommer wie auch im Winter. Die vorhandenen Essen/Kamine konnten aufgemauert und auch repariert werden – sehr zum Entzücken des Schornsteinfegers. Eine gerollte Wandtapete mit Fries zeugt, selbst verblieben in ihrer Fragmentierung, vom Charme eines Seniorzimmers aus Kaiserzeiten. Zeitzeugen der Vergangenheit leben – und so soll es bleiben für alle Gäste: BACK TO THE ROOTS! Die zuständigen Damen und Herren der Denkmalbehörde zeigten sich vom Ergebnis der Instandsetzung des Gehöftes höchst beeindruckt!

Längst nicht alles ging glatt und seidenweich über die Bühne! Graue Haare, tiefe Verzweifelung, Depressionen und Wutausbrüche… Der Umbau forderte Opfer!

Besonders in der alten Werkstatt gab es reichlich Probleme, das Gebäude musste erst einmal gesichert werden, Dachsparren waren eingebrochen!! Es diente in der Nicht-Bewohnbar-Zeit als Lager für alles mögliche. Der Zeitpunkt zur Neu-Dacheindeckung – alte Tonpfannen auf neuen Pfetten – wurde klug und in natürlich regenfreie Sommerzeit gelegt! Das Wetter passte, die Dachkonstruktion stand bereits, ALLES Werkzeug, Maschinen, aber auch Einrichtungsgegenstände, Möbel, Spiegel, Bilder, Werkzeuge usw. wurden an diesem Abend vertrauensvoll unter freiem Himmel geparkt…. In den Morgenstunden rauschte unangemeldet, plötzlich und unbemerkt ein Gewitter an. Seitdem weiß die Bauherrin, wie sich Flutopfer fühlen!

Verzweifelte Suche nach der fehlenden Zwischentür mit absonderlichen Maßen (heutiges Kolonial-Zimmer und Bad) war von keinem Antiquitätenhändler im Umkreis: Sie fand sich nach ca. 1 Jahr Umbauzeit, verkleidet mit Isolierung, als Wandabtrennung hinter einem Heizkörper aus dem Jahr ca. 1970. Sie füllte die Lücke passgenau!!

In einem Nebenraum fand sich eine hübsche Emaille-Badewanne von ca. 1930 separat und auf Füßen ruhend, vermutlich (fast) nie benutzt. Aus welchen Gründen beim mühelosen Umsetzen Herrn Niemand ein schweres Werkzeug hineinfiel konnte bislang nicht geklärt werden. Der Schaden ist sichtbar und eigentlich unreparabel.